Pressemitteilung
Dank Gemeinwohl-Ökonomie: „Ein gutes Leben für alle“
Der Verein „Wir und Jetzt“ hat am Wochenende Bürger, Initiativen, Interessierte und Akteure eingeladen, sich einzubringen, um gemeinsam die Region nachhaltig zu gestalten.
Den Auftakt zur Mitmach-Konferenz machte am Freitagabend Christian Felber mit seinem Vortrag im Stadttheater, in dem er die Gemeinwohl-Ökonomie vorstellte. Das sind verschiedene Konzepte und alternative Wirtschaftsmodelle, die eine Orientierung der Wirtschaft am Gemeinwohl sowie Kooperation und Gemeinwesen in den Vordergrund stellen. Dazu zählen auch Werte wie Menschenwürde, Solidarität, ökologische Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit und demokratische Mitbestimmung.
Wie kann unsere Wirtschaft nachhaltiger gestaltet und ein gutes Leben für alle ermöglicht werden? Christian Felber lieferte mit seiner Vision einer Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ) ein konkretes Konzept und ein alternatives Wirtschaftsmodell für Unternehmen verschiedener Größen und Rechtsformen. Felber studierte Philologie und Politikwissenschaft, ist freier Publizist, Autor und Tänzer. Er wurde Salzburg geboren und lebt heute in Wien. Er war als Mitbegründer maßgeblich am Aufbau von Attac Österreich beteiligt. Dazu ist er Mitgründer der Genossenschaft für Gemeinwohl. Heute ist er als als Lektor und Gastwissenschaftler an Hochschulen vertreten sowie als Gastredner international tätig.
Im zu zwei Drittel gefüllten Stadttheater begrüßte, neben den Veranstaltern, Stadtrat Max Strauß in Vertretung des Schirmherren der Konferenz - Oberbürgermeister Gerhard Ecker - alle, die an diesem Abend den Weg ins Stadttheater gefunden haben, um gemeinsam essentielle Themen unserer Zeit in einer Projektschmiede zu erörtern und sinnige Lösungsansätze zu finden.
Da die Gemeinwohl-Ökonomie bei der Mitmach-Konferenz einen besonderen Schwerpunkt enthielt, war der Vortrag am Freitagabend der passende Einstieg.
Mit seinen Gedanken und fundierten Hintergründen zur Frage "Gemeinwohl-Region Bodensee. Utopie oder Auftakt einer neuen Ära?" bot Felber in seinem rund zweistündigen Vortrag unter dem Leitsatz "Kooperation statt Konkurrenz" einen umfassenden Eindruck vom Thema Gemeinwohl-Ökonomie und regte zum Nachdenken und Aktivwerden an.
Das Konzept der Gemeinwohl-Ökonomie wurde als Vision eines alternativen Wirtschaftssystems entwickelt, das auf gemeinwohlfördernden Werten wie Kooperation und Solidarität statt auf Konkurrenz und Gewinnmaximierung aufgebaut ist. Stattdessen sollen Vertrauen, Verantwortung, Mitgefühl, Teilen und Solidarität gefördert werden, mit dem Ziel, dass sie in einen verbindlichen Rechtsrahmen eingebettet werden.
"Wie kann es sein, dass nach aktuellen makroökonomischen Zahlen 147 Konzernen "alles" gehört und dass acht davon mehr als 50 Prozent besitzen und dem gegenüber 800 Millionen Menschen auf der Erde Hunger leiden müssen?" Mit fundierten Beispielen aus Wirtschaft und Politik veranschaulichte Felber immer wieder das Ungleichgewicht in unserer Wirtschaft. Dass Machtstreben und der maximale Ertrag "win or loose" unsere Welt regieren.
Basis des Modells sind die Gemeinwohl-Bilanz und 20 inhaltliche Eckpunkte. Diese haben das Ziel, unternehmerischen Erfolg nicht mehr als monetären Gewinn zu messen, sondern als Fortschritt eines Unternehmens zur Gemeinwohl-Ökonomie. Es geht den Verfechtern darum, das zu messen, was "wirklich zählt", und das sei im Vergleich zum jetzigen Wirtschaften: sozialer, ökologischer, demokratischer, solidarischer. Je mehr Unternehmen nach gemeinwohl-orientierten Werten handeln würden, desto besser wäre ihre Gemeinwohl-Bilanz. Als ethische Marktwirtschaft beruht sie überwiegend auf privaten Unternehmen. Doch diese streben nicht in Konkurrenz zueinander nach Finanzgewinn, sondern sie kooperieren mit dem Ziel des größtmöglichen Gemeinwohls. Die Gemeinwohl-Bilanz ist ein freiwilliges Instrument, das von Unternehmen selbst erstellt wird, aber das später verpflichtenden Charakter annehmen soll. Viele Punkte der verankerten Wirtschaftsordnung hält Felber dabei nicht für schlecht. Fakt sei jedoch, das die Grundgesetze durch die Wirtschaft, unterstützt von der Politik, untergraben werden.
Die 20 inhaltlichen Eckpunkte der Gemeinwohl-Ökonomie beinhalten Vorschläge wie ein Gemeinwohl-Produkt, das Bruttoinlandsprodukt als Erfolgsindikator ablösen soll, eine ganzheitliche Wirtschaft mit einem demokratisch konformen Markt oder die Initiierung einer Fair-Handelszone.
Von TINA zu TAPAS
"There Is No Alternative", sagte Margaret Thatcher einst. Globaler Kapitalismus regiert die Welt. Die holistische Alternative dazu: "There Are Plenty of Alternatives" die wir nutzen sollten, ja müssen. Bereits zwei Gemeinwohl-Städte gibt es in Deutschland und die Zahl der unterstützenden Gemeinwohl-Unternehmen auf der ganzen Welt ist 2019 auf 2800 gestiegen. Auch etliche Firmen aus der Region wie beispielsweise Vaude aus Untereisenbach oder die Sparkasse in Dornbirn haben sich bereits angeschlossen und setzen aktiv ihre Ziele um. Nach dem Einblick in das Konzept bat Felber zehn freiwillige auf die Bühne, um die Schmerzgrenze eines Mindestlohns beziehungsweise der Angleichung der Gehälter zu ermitteln, mit einem zum Teil interessanten Ergebnis.
Zum Ende appellierte Christian Felber an die Stadt, über die Möglichkeit nachzudenken, in näherer Zukunft selbst dem Konzept zu folgen und vielleicht die dritte Gemeinwohl-Stadt in Deutschland zu werden.